3.2 Studie aus der gewerk schaftl. Bildungsarbeit
Ihrem Band „Von der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtergerechten Didaktik“ legten Karin Derichs-Kunstmann, Brigitte Müthing und Susanne Auszra die Ergebnisse eines intensiven Feldforschungsprozesses  zum Thema „Bedingungen, Formen und Folgen geschlechterspezifischer Verhaltensweisen in der Erwachsenenbildung – untersucht am Beispiel der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit“ zugrunde (vgl. Derichs- Kunstmann, Auszra, Müthing 1999, S.11).
Das Forschungsprojekt wurde von 1993 bis 1995 im Forschungsinstitut für Arbeiterbildung durchgeführt.
Schwerpunkte der Analyse des Lehr-Lern- Prozesses bildeten das unterschiedliche Kommunikations- und Interaktionsverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Plenum und in selbstständigen Arbeitsgruppen und natürlich das der Seminarleiterinnen und Seminarleiter.
Folgender kommunikationssoziologische Ansatz Goffmans lag dieser Analyse zugrunde:
“ In der Organisation der unmittelbaren Interaktion kommen die Geschlechtsklassen spürbar zum Vorschein, denn hier können die Auffassungen über geschlechtsklassengebundene Dominanz als ein Mittel zur Entscheidung darüber eingesetzt werden, wer entscheiden dar, wer führt und wer folgt. Einmal mehr bieten diese Szenerien weniger die Möglichkeit zum Ausdruck natürlicher Unterschiede, als vielmehr zur Erzeugung des Unterschieds als solchem“(Goffman, 1994, S.148).
Derichs-Kunstmann, Auszra und Müthing gehen von folgender Voraussetzung aus:
„Auch Seminare der Erwachsenenbildung sind „Szenerien“ im Goffmanschen Sinne, in denen in der unmittelbaren Interaktion Geschlechtsdifferenzen immer wieder neu hergestellt werden. Die an den Szenerien beteiligten Akteure und Akteurinnen greifen zurück auf unausgesprochene kulturelle Übereinkünfte darüber, wie Männlichkeit und Weiblichkeit in Szene gesetzt wird.
Ausgangsthese unseres Vorhabens war, dass sich geschlechtsdifferente Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen im Erwachsenenalter reproduzieren. Wenn in traditioneller Weise geschlechtsbezogen sozialisierte Frauen und Männer in der Erwachsenenbildung in gemischt- geschlechtlichen Lerngruppen zusammentreffen, entsteht die „normale heterosexuelle Unklarheit“(Werner 1983), die – wenn sie nicht analysiert und thematisiert wird  zu gegenseitigen Lernbehinderungen führt und eine wirkliche Gleichheit der Beteiligten am Bildungsgeschehen verhindert.“(Derichs- Kunstmann, Auszra,  Müthing 1999, S. 18)
Ziel des Forschungsprojektes war es demnach, Bedingungen, Formen und Folgen geschlechtsdifferenter Verhaltensweisen in der Bildungsarbeit mit Erwachsenen zu untersuchen und Konsequenzen aus dieser Analyse zu ziehen und diese für die Praxis der Bildungsarbeit nutzbar zu machen(vgl. Derichs- Kunstmann, Auszra, Müthing 1999, S. 25-26).