Ihrem Band „Von der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur
geschlechtergerechten Didaktik legten Karin Derichs-Kunstmann, Brigitte
Müthing und Susanne Auszra die Ergebnisse eines intensiven
Feldforschungsprozesses zum Thema „Bedingungen, Formen und Folgen
geschlechterspezifischer Verhaltensweisen in der Erwachsenenbildung
untersucht am Beispiel der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit zugrunde (vgl.
Derichs- Kunstmann, Auszra, Müthing 1999, S.11).
Das Forschungsprojekt wurde von 1993 bis 1995 im Forschungsinstitut für
Arbeiterbildung durchgeführt.
Schwerpunkte der Analyse des Lehr-Lern- Prozesses bildeten das
unterschiedliche Kommunikations- und Interaktionsverhalten der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer im Plenum und in selbstständigen Arbeitsgruppen und natürlich das
der Seminarleiterinnen und Seminarleiter.
Folgender kommunikationssoziologische Ansatz Goffmans lag dieser Analyse
zugrunde:
“ In der Organisation der unmittelbaren Interaktion kommen die Geschlechtsklassen
spürbar zum Vorschein, denn hier können die Auffassungen über
geschlechtsklassengebundene Dominanz als ein Mittel zur Entscheidung darüber
eingesetzt werden, wer entscheiden dar, wer führt und wer folgt. Einmal mehr
bieten diese Szenerien weniger die Möglichkeit zum Ausdruck natürlicher
Unterschiede, als vielmehr zur Erzeugung des Unterschieds als solchem“(Goffman,
1994, S.148).
Derichs-Kunstmann, Auszra und Müthing gehen von folgender Voraussetzung aus:
„Auch Seminare der Erwachsenenbildung sind „Szenerien“ im Goffmanschen
Sinne, in denen in der unmittelbaren Interaktion Geschlechtsdifferenzen immer
wieder neu hergestellt werden. Die an den Szenerien beteiligten Akteure und
Akteurinnen greifen zurück auf unausgesprochene kulturelle Übereinkünfte darüber,
wie Männlichkeit und Weiblichkeit in Szene gesetzt wird.
Ausgangsthese unseres Vorhabens war, dass sich geschlechtsdifferente
Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen im Erwachsenenalter reproduzieren.
Wenn in traditioneller Weise geschlechtsbezogen sozialisierte Frauen und Männer
in der Erwachsenenbildung in gemischt- geschlechtlichen Lerngruppen
zusammentreffen, entsteht die „normale heterosexuelle Unklarheit“(Werner 1983),
die – wenn sie nicht analysiert und thematisiert wird zu gegenseitigen
Lernbehinderungen führt und eine wirkliche Gleichheit der Beteiligten am
Bildungsgeschehen verhindert.“(Derichs- Kunstmann, Auszra, Müthing 1999, S. 18)
Ziel des Forschungsprojektes war es demnach, Bedingungen, Formen und
Folgen geschlechtsdifferenter Verhaltensweisen in der Bildungsarbeit mit
Erwachsenen zu untersuchen und Konsequenzen aus dieser Analyse zu
ziehen und diese für die Praxis der Bildungsarbeit nutzbar zu machen(vgl.
Derichs- Kunstmann, Auszra, Müthing 1999, S. 25-26).